Artikel bei ` Frankfurter Allgemeine´ : Teure Tampons, böses Blut
© Tampon / Hygieneprodukt Illustration F.A.S. Sollte erschwinglicher werden: der Tampon
Wenn ich mir etwas Gutes tun will, dann lege ich mich einen Tag lang ins Thermalbad, plane eine Reise oder leiste mir ein Essen im Restaurant. Periodenblut zu stoppen gehört nicht zu meiner Definition von Luxus. Dennoch wurden Tampons und Binden bis vor einem Monat noch so besteuert, als würde ich mir bei ihrem Kauf etwas gönnen: Steuerrechtlich zählten sie nicht zum Grundbedarf. Dabei braucht jede gesunde Frau an etwa 2400 Tagen ihres Lebens solche Periodenprodukte.
Mit dem neuen Jahr begann für uns Frauen eine neue Zeit. Nach jahrzehntelangen überhöhten Abgaben folgte Anfang Januar eine – wenn auch minimale – Erleichterung: Damenhygieneprodukte werden seitdem mit sieben Prozent besteuert, nicht mehr mit 19. Das macht für eine Packung mit 32 Tampons einer Billigmarke zwar nur 13 Cent aus. Aber es ging um etwas anderes: Endlich werden Frauen nicht mehr steuerlich diskriminiert, wenn wir kaufen, was wir monatlich brauchen. Und selbst die kleinen Centbeträge rechnen sich, schließlich braucht eine Durchschnittsfrau wohl 300 Tampons im Jahr.
Das haben auch die Hersteller erkannt und sofort versucht, zuzuschlagen: Nur zwei Wochen nach der Steuersenkung bestätigt Kaufland, dass „Lieferanten für Slipeinlagen, Inkontinenz-Einlagen, Binden und Tampons“ Preiserhöhungen gefordert haben, die nicht zu erklären seien. Denn, so schreibt Kaufland: „Aktuell ist uns nicht bekannt, dass die Preise für Rohstoffe erhöht wurden.“ Die Forderungen können sie daher „nicht nachvollziehen“. Ich auch nicht.
Auch Alternativen muss man sich leisten können
Das bisschen Geld, das wir endlich sparen können, will man uns gleich wieder wegnehmen. Sie verhalten sich wie ihre Menstruationsprodukte: Saugen, bis nichts mehr kommt. Und zeigen: Die Frauen, ihr Kampf für Gerechtigkeit, interessieren sie nicht. Für sie zählt nur maximaler Gewinn.
Das Schlimmste: Sie können sich diese Unverschämtheit leisten. Periodenartikel brauchen wir. Nanna-Josephine Roloff, die Initiatorin der Online-Petition „Die Periode ist kein Luxus“, die zur Abschaffung der Tamponsteuer beigetragen hat, fordert auf Twitter zwar: „Kauft einfach nicht die überteuerten Produkte dieser Firmen. Es gibt ausreichend Alternativen.“
Aber die muss man sich leisten können, nicht nur finanziell: Dingen, die ich mir in meinen Körper schiebe, muss ich vertrauen. Schließlich will ich mir keine ungesunden Chemikalien oder Plastikpartikel einführen und mich auf die Saugfähigkeit der Produkte verlassen können. Aber Vertrauen braucht Zeit. Im Zweifelsfall und im Zeitdruck greife ich zu dem, was ich kenne, oder was Freundinnen empfehlen.
Start-ups, die mit weichen Biotampons in Kartons aus recycelter Pappe locken, werben mit dieser Sicherheit. Für ihre Produkte braucht man aber Geld. Egal, ob Studentin oder Arbeitslose: Viele Frauen mit wenig Geld werden sich monatlich keine teureren Start-up-Produkte leisten können. Schon jetzt gibt es Frauen, die selbst die billigsten Periodenprodukte nicht bezahlen können.
Frauen wehren sich
Noch ist nichts passiert: Auf Zeitungsberichte über die Preisforderungen der Firmen reagierten viele Frauen mit Boykottaufrufen und Entrüstung. Die Hersteller hat das wohl verunsichert, schließlich können sie nicht die gesamte Kundschaft gegen sich aufbringen. Jedenfalls erklären die beiden größten Hersteller von Hygieneprodukten, sie hätten solche Forderungen nie gestellt – zumindest nicht „im Zusammenhang mit der Steuersenkung“, wie Johnson & Johnson, der Hersteller von o.b. und Carefree, schreibt. Ähnlich schreibt es der Hersteller der Always-Binden.
Die Online-Petition hat also auch etwas anderes gebracht: Frauen wehren sich. Auch die Luxussteuer wurde in den zwanziger Jahren leise eingeführt. Sie kam getarnt als Verwaltungsmaßnahme: Waren des Grundbedarfs wurden von einer Steuererhöhung ausgenommen, weil der Staat sie nicht verteuern und die Bauern nicht verärgern wollte. Dieses System hat man später übernommen. In den Sechzigern war das, einer Zeit also, als Vergewaltigung in der Ehe noch straffrei war und die Frau ihren Mann um Erlaubnis bitten musste, wenn sie arbeiten wollte. Seitdem gilt für Schnittblumen, lebende Tiere oder Tannenbäume ein niedriger Steuersatz, während für Klopapier und Kinderkleidung mehr Steuern anfallen. Für die Frauen hat sich damals niemand interessiert. Aber wir haben auch nicht widersprochen, sondern stillschweigend die Steuer gezahlt und leise in unsere überteuerten Binden geblutet.
Das hat sich geändert: Spätestens seit der Online-Petition geben wir Tampons im Seminarraum nicht mehr weiter, als wären es illegale Drogen, und nehmen Preisänderungen nicht mehr hin, als wären wir dumm. Hoffentlich hält das an. Ich jedenfalls frage jetzt extralaut in die Runde, wenn ich ein Tampon brauche. Nach Gehaltsunterschieden sollte ich noch lauter fragen.
Die Aktivistin Roloff macht weiter: Sie fordert jetzt kostenlose Binden und Tampons auf öffentlichen Toiletten. Logisch, mit eigenem Klopapier läuft schließlich auch niemand durchs Büro.
Quelle: F.A.S.