Monatshygiene in Afrika – ein Luxusproblem mit weitreichenden Folgen
Ein unbefangener Umgang mit dem Thema Menstruation sowie mit Artikeln der Monatshygiene ist in Deutschland und weiten Teilen der westlichen Industrienationen heute eine alltägliche Selbstverständlichkeit. Historisch betrachtet ist dies jedoch auch bei uns eine Errungenschaft, die gerade einmal einige Jahrzehnte andauert. Noch bis in die 1970er Jahre durften zum Beispiel Produkte der Monatshygiene im Fernsehen nicht beworben werden.
Gesellschaftliche Berührungsängste und Tabus, die bei uns inzwischen überwunden sind, herrschen insbesondere in armen Ländern bis heute vor. Darüber hinaus sind zum Beispiel in weiten Teilen Afrikas Hygieneartikel wie Damenbinden für die allermeisten Frauen gänzlich unerschwinglich. Trotz erster Initiativen einzelner Regierungen afrikanischer Staaten, kostet eine Packung Binden zum Beispiel in Kenia rund 80 Schilling, umgerechnet etwa 70 Cent. Betrachtet man die Zahl der Menschen in Afrika, die weit unter der Armutsgrenze leben und oft mit weniger als 1,50 Euro pro Tag auskommen müssen, ist zeitgemäße Monatshygiene damit kaum finanzierbar.
Die Folgen dieser Voraussetzungen sind vielfältig. Studien belegen zum Beispiel, dass Mädchen in Afrika während ihrer Periode häufig nicht am Schulunterricht teilnehmen und so bis zu 20 Prozent der Schulzeit versäumen. Insgesamt wirkt sich das Fehlen geeigneter Menstruationshygieneartikel zusätzlich negativ auf die gesellschaftliche Teilhabe und damit die soziale Stellung von Mädchen und Frauen aus. Die Verwendung von alternativen Menstruationsartikeln, meist langfristig genutzte, wiederverwendbare Behelfslösungen, nicht selten einfache Stofffetzen, Zeitungspapier oder sogar Gras, birgt darüber hinaus auch konkret gesundheitliche Gefahren.
Rhoda Fideler kennt beide Seiten: In Kenia geboren lebt die ausgebildete Krankenschwester seit 18 Jahren in Deutschland und betreibt seit 2018 das Start-Up-Unternehmen MeritaCare, welches Automaten für Damenhygieneartikel in Toiletten von öffentlichen Gebäuden installiert und mit den erforderlichen Produkten versorgt. Antrieb zur Unternehmensgründung lieferten auch die Erinnerungen an die eigenen Erfahrungen von Unwissenheit und Scham in Verbindung mit der ersten eigenen Menstruation, in ihrer afrikanischen Heimat. Auch wenn sie heute mit ihrem Unternehmen dafür kämpft, das Thema Menstruation in Deutschland noch weiter im Alltag zu verankern und Mädchen und Frauen den Zugang zu Hygieneartikeln in Alltagssituationen zu erleichtern, weiß Sie deshalb um die weit drastischeren Probleme in Afrika.
Gemeinsam mit ihrer Mutter hat Rhoda Fideler deshalb vor einem Jahr eine Aktion ins Leben gerufen, die dazu beitragen soll, in Mombasa die Versorgungssituation von Mädchen und Frauen zu verbessern. Mombasa ist die zweitgrößte Stadt Kenias, mit rund einer Million Einwohner. Trotz Mombasas Stellung als bedeutendes Wirtschaftszentrum, leben hier laut Hilfsorganisationen mehr als 150.000 Menschen in Slums.
„Viele der Mädchen, die hier leben, haben noch nie eine Damenbinde gesehen“, erklärt Rhoda Fideler. „Wir erfahren aber leider auch immer wieder von jungen Frauen, die sich prostituieren, um die Monatshygiene zu finanzieren oder davon, dass Männer Binden als Lockmittel einsetzen. Insgesamt trägt das Thema zur Abhängigkeit der Frauen bei, die sich zum Beispiel auch darin äußert, dass heute jedes vierte Mädchen in Afrika minderjährig verheiratet wird.
“Fidelers Mutter ist Pastorin der Amazing Grace Church, ihr Vater pensionierter Schuldirektor. Zusammen haben beide die Royal Seeds of Hope Academy gegründet, eine Schule für Slumkinder in Mtongwe, einem der ärmsten Stadtviertel im Großraum Mombasa. Mit der Unterstützung ihrer inzwischen im baden-württembergischen Tettnang bei Friedrichshafen am Bodensee lebenden Tochter, verteilt Fidelers Mutter alle zwei Monate Damenbinden und Seifen zur Intimhygiene an jeweils 200 bis 300 Mädchen im Alter von 12 bis 15 Jahren.
„Die Mädchen stammen aus vier verschiedenen Schulen aus der Region sowie aus der direkten Nachbarschaft“, berichtet Rhoda Fideler. „Sie werden in drei Gruppen aufgeteilt, so wird auch dem verbreiteten Schamgefühl etwas entgegengewirkt und die Mädchen trauen sich eher, Fragen zu stellen und frei zu sprechen.
“Die Mädchen erhalten nicht nur Binden und Seifen – Tampons sind für afrikanische Frauen aus Gründen der kulturellen und religiösen Tradition ein grundlegendes Tabu – sondern werden auch zu deren Benutzung sowie generell zu den Themen Körper, Hygiene und Würde unterrichtet, um so auch langfristiges Bewusstsein zu schaffen.
„Für Frauen in Deutschland ist es schwer vorstellbar, wie mit dem Thema in Afrika bis heute umgegangen wird und vor welchen Herausforderungen und Gefahren Mädchen stehen“, erklärt Rhoda Fideler. „Ich bin glücklich, einen kleinen Beitrag leisten zu können und wünsche mir, dass auch in Afrika irgendwann Hygieneartikel so selbstverständlich und vor allen Dingen erschwinglich sind, wie weitestgehend hier in Deutschland.“